Daten und Fakten

rund ums Rebhuhn

Das Rebhuhn

Das Rebhuhn (Perdix perdix) ist ein bodenlebender Hühnervogel offener Graslandschaften und Felder. Sein natürliches Verbreitungsgebiet reicht von Westeuropa bis Zentralasien, zudem wurde es in Nordamerika eingeführt. In Mitteleuropa gibt es fossile Nachweise des Rebhuhns bereits aus Zeiten der Neandertaler. Das Rebhuhn war also schon lange vor der Erfindung des Ackerbaus bei uns heimisch. Zudem hat die Landwirtschaft einige tausend Jahre lang zusätzlichen Lebensraum für das Rebhuhn geschaffen.

Einige geographische Formen des Rebhuhns sind bereits ausgestorben: das nordwestdeutsche/niederländische P. p. sphagnetorum sowie das italienische P.p. italica. Bei den verbleibenden Rebhühnern ist die lokale genetische Differenzierung größer als bei anderen Vogelarten (LIUKKONNEN-ANTILA et al. 2002). Die Ursache dafür wird in der vergleichsweise geringeren Mobilität von Rebhühnern vermutet.

Bestandsrückgang der Rebhühner

Als Kulturfolger war das Rebhuhn lange Zeit einer der häufigsten Vögel unserer genutzten Landschaft. Es wurde bis in die 1970er Jahre alljährlich zu hunderttausenden geschossen und gegessen, ohne dass die Bestände dadurch abnahmen. Den heutigen Bestand in Deutschland schätzt man noch auf ca. 50.000 Paare (GEDEON et al. 2014), bzw. 21.000 – 37.000 (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 2019). In den meisten Regionen Deutschlands leben nur noch weniger als 0,4 Paare/km². Auf lokaler Ebene ist das Rebhuhn vielerorts ausgestorben: nur 25% der Jagdreviere melden noch Rebhühner (WILD 2017). Der verbleibende Schwerpunkt der Verbreitung sind waldarme Regionen. Die Bundesländer mit den meisten Rebhühnern sind Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Hier leben ca. ein Drittel der Rebhühner Deutschlands.

Fast keine andere Vogelart ist europaweit so katastrophal eingebrochen. Mit der Einführung des europaweiten Monitorings häufiger Brutvögel lässt sich der europaweite Kollaps der Rebhuhnpopulationen in Zahlen dokumentieren: Rückgang in Europa seit 1980 um 93% (EBCC 2020;). Im europäischen Verbreitungsgebiet liegen die mittleren Dichten bei nur noch 0,4 Paaren/km² (BUNER & GOTTSCHALK 2020). Die Zahlen sind in manchen Ländern durch unverantwortliche Massenaussetzungen extrem beeinflusst: In Frankreich etwa werden jährlich 1,5 Mio Rebhühner zur Jagd freigelassen – mehr als der gesamte europäische Bestand noch Individuen hat (BRO 2012)! Das macht es schwer, das wirkliche Schicksal dieses Vogels in Europa zu beurteilen. In Deutschland sind Massenaussetzungen zum Glück nicht die Praxis, so dass man das Rebhuhn noch als Wildvogel ernst nehmen kann. Für Deutschland schätzen wir aus den vorliegenden Zahlen (WILD 2006 - 2017) den Rückgang um ca. 85% seit 1980 ein. Der größte Einbruch der Rebhuhnzahlen erfolgte allerdings bereits Ende der 1970er Jahre, wie man am Einbruch der Jagdstrecken ablesen kann. Wir haben also weit über 90% unserer Rebhühner verloren.

Leider hält der Rückgang aktuell weiter an: Im Rebhuhn-reichsten Bundesland Niedersachsen ist der Rebhuhnbestand seit 2006 abermals um über 70% gefallen!

Mit dem Rebhuhn verlieren wir einen großen Teil der Biologischen Vielfalt der Agrarlandschaft. Andere Feldvögel,etwa Feldlerche, Goldammer, Hänfling, sind ebenso betroffen wie Feldhase, Feldhamster, Ackerwildkräuter und unzählige Insektenarten.

Entwicklung des Rebhuhnbestandes in den Bundesländern aus den letzten Jahren. Gerade in den Zentren der Rebhuhnverbreitung ist der Rückgang besonders drastisch. Dies zeigt sich im Wildtier-Infomationssystem der Länder (WILD) in der Zahl der Rebhühner berechnet aus den den Dichteangaben der Quellen „Status und Entwicklung ausgewählter Wildtierarten in Deutschland. Jahresberichte 2006-2017. Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD). Deutscher Jagdverband, Berlin.“ und „Wild und Jagd, Landesjagberichte Niedersachsen, 2009 -2018“.

Rückgangsursachen

Im Wesentlichen werden drei Ursachen für den Rückgang der Rebhühner verantwortlich gemacht (POTTS 1986, POTTS 2012, KUIJPER 2009). Diese drei Ursachen hängen außerdem zusammen:

Pestizide

Rebhuhnküken leben in den ersten Lebenswochen fast ausschließlich von Insekten und anderen wirbellosen Tieren. Der Einsatz von Herbiziden verringert die Artenzahl der Pflanzen und damit auch die Lebensgrundlage vieler Insekten. Die Insektizide reduzieren Insekten auf direktem Weg. Dieser Zusammenhang wurde vor allem in England viele Jahrzehnte ausführlich untersucht: Mit zunehmenden Erträgen auf den Feldern nahm die Sterblichkeit der Rebhuhnküken immer weiter zu (POTTS 1986). Auch für Polen ist dieser Zusammenhang mit langjährigen Daten belegt. Die Überlebensrate der Küken sank von 57% (1987) auf 34% (PANEK 2019). Besonders eindrücklich ist der Feldversuch von RANDS (1985). In Feldern mit Herbizidanwendung zogen die Rebhuhnpaare im Durchschnitt lediglich 2,15 Küken auf. Ließ man am Rand der Felder einen 6 Meter breiten Streifen ungespritzt, zogen sie 6,38 Küken auf.

Verlust an Strukturen

Rebhühner brüten gerne in ungenutzter Vegetation (Altgras etc.), die schon mindestens ein Jahr Zeit hatte, sich zu entwickeln, z. B. Feldraine, Brachen, Säume von Hecken, mehrjährige Blühflächen. Die Kapazität des Lebensraums wird wesentlich durch das Vorhandensein von solchen Strukturen zur Nestanlage bestimmt (RANDS 1986). Solche Strukturen fehlen in der Landschaft. Gleichzeitig lebt das Rebhuhn über das Jahr hinweg in den verschiedenen Kulturen, denn je nach Jahreszeit bieten andere Feldfrüchte die beste Deckung oder Nahrung. Ein kleinräumiges Nebeneinander von verschiedenen Feldfrüchten und dazwischen ungenutzte Vegetation ist ein optimaler Rebhuhn-Lebensraum. Die Felder sind größer geworden, für den Wechsel zwischen den Kulturen müssen die Rebhühner weitere Strecken zurücklegen und auch die ungenutzten Raine dazwischen sind rarer geworden.

Prädation

Rebhühner leben riskant. Sie fressen, brüten und schlafen am Boden. Besonders zur Brutzeit und bei hoher Schneelage sind die Verluste groß. Die Dichten einiger Prädatoren sind heute höher als vor wenigen Jahrzehnten. Der wichtigste Prädator des Rebhuhns ist der Fuchs, der sich seit der Tollwutimmunisierung deutlich vermehrt hat. Dadurch hat sich die jährliche Jagdstrecke von Füchsen seit 1980 verdreifacht (WILD 2018). Rebhühner halten sich deshalb oft noch in geringen Dichten in großräumig waldarmen Landschaften: fernab der nächsten Wälder gibt es weniger Beutegreifer. Das ermöglicht den letzten Rebhühnern dort das Überleben.

Zusammenwirken der drei Ursachen

In ungespritzten, unkrautreichen Feldern war das Rebhuhn früher weniger auf die Saumstrukturen angewiesen. Mit zunehmender Pestizidanwendung wurden die ungenutzten Randstrukturen immer bedeutender für das Überleben der Rebhühner. Gleichzeitig sind die Säume hochgradig riskant, da schmale Flächen von Füchsen und anderen Prädatoren gerne abgesucht werden. HARMANGE et al. (2019) belegen, dass die schleichenden Veränderungen in der Landschaft die Rebhühner zu immer riskanteren Aufenthaltsorten treiben. Außerdem wurden Feldränder mit der Vergrößerung der Felder seltener. PANEK (2013) konnte zeigen, dass Rebhuhn und Räuber leichter aufeinandertreffen, wenn es nur wenige Hecken, Feldraine und Brachen gibt. So ist das gestiegene Prädationsrisiko nicht ausschließlich auf höhere Fuchsdichten zurückzuführen, sondern ist außerdem eine Folge der Veränderungen in der Landschaft.

Literatur

BRO, E. (2012). La situation de la perdrix grise en France. État des lieux en 2008. Pp. 19–24 in: Enquête nationale 2007–2008. Faune sauvage Dossier 295. Office National de la Chasse et de la Faune sauvage.

BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (2019): Nationaler Vogelschutzbericht 2019. www.bfn.de/themen/natura-2000/berichte-monitoring/nationaler-vogelschutzbericht.html

BUNER, F. & GOTTSCHALK, E. (2020): Grey Partridge Perdix perdix. In: Keller, V., Herrando, S., Voříšek, P., Franch, M., Kipson, M., Milanesi, P., Martí, D., Anton, M., Klvaňová, A., Kalyakin, M.V., Bauer, H.-G. & Foppen, R.P.B. European Breeding Bird Atlas 2: Distribution, Abundance and Change. European Bird Census Council & Lynx Edicions, Barcelona.

DEUTSCHER JAGDVERBAND (1980–2020): DJV-Handbuch Jagd. DJV-Service, Bonn.

EBCC (2020): European Common Bird Monitoring Scheme EBCC. pecbms.info/trends-and-indicators/species-trends/.

GEDEON, K., C. GRÜNEBERG, A. MITSCHKE, C. SUDFELDT, W. EIKHORST, S. FISCHER, M. FLADE, S. FRICK, I. GEIERSBERGER, B. KOOP, M. KRAMER, T. KRÜGER, N. ROTH, T. RYSLAVY, F. SCHLOT-MANN, S. STÜBING, S.R. SUDMANN, R. STEFFENS, F. VÖKLER & K. WITT (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten. Hohenstein-Enstthal und Münster.

HARMANGE C., BRETAGNOLLE, V., SARASA, M. , PAY, O. (2019): Changes in habitat selection patterns of the gray partridge Perdix perdix in relation to agricultural landscape dynamics over the past two decades. Ecology and Evolution. 9, :5236–5247.

KUIJPER, D. P. D., E. OOSTERVELD & E. WYMENGA (2009): Decline and potential recovery of the European grey partridge (Perdix perdix) population – a review. Eur. J. Wildl. Res. 55, 455–463.

LIUKKONEN-ANTILLA, T., UIMANIEMI, M., ORELL, M. & LUMME, J (2002). Mitochondrial DNA variation and the phylogeography of the grey partridge (Perdix perdix) in Europe: from Pleistocene history to present day populations. Journal of Evolutionary Biology 15: 971–982.

PANEK M. (2013): Landscape structure, predation of red foxes on grey partridges, and their spatial relations. Cent. Eur. J. Biol. 8(11): 1119–1126.

PANEK, M. (2019): Long-term changes in chick survival rate and brood size in the Grey Partridge Perdix perdix in Poland, Bird Study, 66:2, 289–292.

POTTS, G. R. (1986): The Partridge. Pesticides, Predation and Conservation. Collins. London.

POTTS, G. R. (2012): Partridges. Harper Collins Publisher. London.

RANDS, M.R.W. (1985):  Pesticide use on cereals and the survival of Grey Partridge chicks: a field experiment. J. Appl. Ecol. 22: 49–54.

RANDS, M.R.W. (1986): Effect of hederow  characteristics on partridge breeding density. J.Appl. Ecol. 23: 479–487.

WILD (2006–2017): Status und Entwicklung ausgewählter Wildtierarten in Deutschland. Jahresberichte 2006–2017. Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD). Deutscher Jagdverband, Berlin www.jagdverband.de/WILD-Jahresberichte.